Von Corporate Identity bis Zielgruppe: Was macht ein gutes Briefing aus?

Christine Eulriet • 15. Dezember 2022

Was Ihr:e Übersetzer:in vor dem Start wissen sollte

Gute Übersetzungen brauchen ein gutes Briefing! Erfahren Sie in diesem neuen Blog-Artikel, welche wichtigen Informationen vermittelt werden sollten: Von Corporate Identity über Terminologie bis hin zur Zielgruppe. Lesen Sie, warum gründliche Briefings und Debriefing der Schlüssel zum Erfolg sind.


Stellen Sie sich vor: Sie sitzen in einem Sterne-Restaurant, am Tisch nebenan wurde das exquisite Gourmet-Menü bestellt, der Sommelier steht schon da – und Sie hören den Satz: «Bringen Sie einfach einen Wein». Ohne die Geschichte gedanklich fortzusetzen, wird jetzt schon klar, dass zwischen Erwartungen des Gastes und Möglichkeiten des Sommeliers eine Diskrepanz besteht. Die kleine Szenerie lässt sich perfekt auf das Metier der Sprachmittlung übertragen: Ohne Hintergrundwissen, lässt sich ein Satz so oder so formulieren. Der eine wird die Ziele auf den Punkt vermitteln, der andere wird nicht ganz so treffend sein. Wie bei der Kombi Wein und Gericht, sollten beide aufeinander abgestimmt werden.


Was ist ein Briefing und wozu ist es gut?

Ein Briefing ist eine gezielte Information, die Dienstleistern zur Verfügung gestellt wird, um sicherzustellen, dass sie die Aufgabe effektiv und effizient ausführen können.


Ein erfolgreiches Projekt beginnt mit einem klaren Ziel vor Augen und einem soliden Fundament. Diese Funktion erfüllt das Briefing. Es vermittelt die Grundidee des Übersetzungsprojektes und liefert Informationen über seine wesentlichen Aspekte:

  • Was soll die Übersetzung bewirken (Ziele)
  • Wer soll erreicht werden (Zielgruppe)
  • Was soll vermittelt werden (Botschaft)
  • Wo soll die Botschaft verbreitet werden (Medium/Kanal)
  • Welche Faktoren können die Botschaft beeinflussen (Gesetzgebung/Wettbewerb/etc.)

Über das Projekt hinaus kann das Briefing auch die Art der Zusammenarbeit zwischen Kunden und Übersetzer skizzieren und die Grundlage für die Kommunikation zwischen den Beteiligten bilden.

Kurz gesagt: Je komplexer das Projekt, umso wichtiger das Briefing.


Warum ist das Briefing für gute Übersetzung wichtig?

Was für Sie selbstverständlich ist, ist es für Ihre Übersetzerin wahrscheinlich nicht: Sie war nicht an der Entstehung der Texte beteiligt, die jetzt vor ihr liegen. Das Hintergrundwissen aus den vielen Arbeitsschritten, Sitzungen, Korrekturrunden und sonstigen Absprachen hat sie nicht.


Aus diesen Wissenslücken können Missverständnisse entstehen: Anstelle von gezielt ausgesuchten Formulierungen muss sie bei der Übersetzung auf Interpretationen, Annahmen und Mutmassungen zurückgreifen – wenn es kein Briefing gegeben hat.


Eine Medienmitteilung zum letzten Software-Release mag kein umfangreiches Briefing erfordern. Sinnvoll ist es trotzdem. Und absolut unerlässlich wird das Briefing bei allen Übersetzungsprojekten, die sich mit Image, Haftung, Krisenkommunikation oder anderen sensiblen Themen befassen, denn eine Qualitätsübersetzung lebt von der Nuance: Ein Wort, eine Redewendung, ein Sprachregister schuldet nichts dem Zufall, sondern wurde sorgfältig ausgesucht, um die Botschaft zu vermitteln, die Zielgruppe adäquat anzusprechen und dem gewünschten Outcome zu entsprechen.


Welche Informationen soll das Briefing enthalten?

Auf dem Weg zurück zum Tisch des Sterne-Restaurants können wir eine weitere Parallele ziehen: Ähnlich wie das Besteck für den Sommelier ist das Briefing für den Übersetzer ein unabdingbares Werkzeug, um seine Arbeit professionell und effektiv auszuführen.


Zu einem gut sortierten «Übersetzer-Besteck» gehören also Informationen und Eckdaten wie:

  • Unternehmen (Grösse, Positionierung, Produkte und Dienstleistungen, Märkte, USP, Leitlinien, etc.)
  • Eckdaten zum Auftrag (Einordnung im Portfolio, Abgrenzung zu Wettbewerb, Regulatorisches, etc.)
  • Detailinformation zum Auftrag (Sprachen, Textsorte & -länge, Besonderheiten, gewünschte Leistung, etc.)
  • Ziele (Information, Erhöhung Bekanntheitsgrad, Sichtbarkeit einer Marke, Autorität festigen, etc.)
  • Zielgruppe (Merkmale, Besonderheiten, etc.)
  • Botschaft (Inhalt und Tonalität, Anlass, etc.)
  • Medien (Kanäle und Medien)
  • Zeitrahmen (Liefertermin, Abhängigkeiten zu anderen Tätigkeiten)
  • Budget und ggf. Reporting
  • Ressourcen (Terminologie, TMs, Parallel- und alignierte Dokumente, CI & CD, Tone of Voice, Style Guide, ggf. frühere Kampagnen, etc.)


Zur Orientierung finden Sie auch hier Informationen zum Thema Briefing und können hier eine Vorlage für Ihr nächstes Übersetzungs-Briefing herunterladen.


Was passiert nach dem Briefing?

Während Ihre Übersetzerin Ihre Texte seziert und an authentischen Formulierungen feilt, steht die Zeit bei Ihnen nicht still. Oftmals sind Projekttermine knapp gesetzt, Prozesse des Unternehmens bieten keine Möglichkeit für Check-Ins und Check-Outs oder eine neue Erkenntnis ist gewonnen worden. Während der Übersetzung wird nicht selten weiter an den Ausgangsdokumenten gearbeitet: Kürzungen oder Erweiterungen werden vorgenommen, rechtliche Punkte abgeklärt oder Grafiken nachgereicht.


Es ist in jedem Fall wichtig, die Übersetzerin über alle Änderungen zu informieren, damit sie nicht an veralteten Texten arbeitet und notfalls neues Hintergrundwissen einfliessen lassen kann.


Darüber hinaus sollte ein klarer Workflow existieren, damit nur finale Texte ihren Weg in die Übersetzung finden und unnötige Korrekturschleifen eingebaut werden müssen.


Was ist ein Debriefing und warum ist es wichtig?

Das Debriefing ist die Nachbesprechung, die nach Abschluss eines Projekts durchgeführt wird, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten ihre Erfahrungen teilen und daraus lernen können: Was ist gut gelaufen, wo können wir uns noch verbessern?


Diese gezielte Weitergabe von Wissen ist vor allem darauf ausgerichtet, Erkenntnisse über Fehler und Erfolge für künftige Projekte aktiv umzusetzen: Schwächen werden erkannt und vermieden, Stärken werden wiederholt.


Für (Freelance-)Übersetzer:innen hilft das Debriefing, Kenntnisse und Kompetenzen über die Abläufe, Produkte und Dienstleistungen des Auftragsgebers aufzubauen.


Mit seiner Rückmeldung gibt der Auftraggeber Informationen, die direkt in die Folgeaufträge einfliessen können. Bei Transkreation, Werbe- und Onlinekampagnen werden oft verschiedene Varianten angeboten, bestehend aus Textvorschlag, Rationale und Rückübersetzung, damit das Kreativteam verschiedene Optionen hat. Wenn noch nicht erfolgt, sollte die finale Auswahl auf jeden Fall im Debriefing mitgeteilt werden. Bei Druckprodukten kann z. B. die Bereitstellung von Belegexemplaren Teil des Debriefing-Prozesses sein, etwa wenn das Gut zum Druck nicht vom Sprachdienstleister erteilt wurde.


Tipps für ein effektives Briefing und Debriefing

Ein effektives Briefing beruht auf Gegenseitigkeit

Damit die Zusammenarbeit zum Erfolg wird, müssen beide Parteien wissen, was sie voneinander erwarten können. Wenn die Auftraggeber:innen unbedingt zu ihrem Projekt Angaben machen sollten, ist es genauso wichtig, dass die Übersetzer:innen klar vermitteln, was sie leisten können und was sie dazu brauchen.


Die Anweisungen sollen daher klar, vollständig und relevant sein, während die Informationen das Hintergrundwissen aus Ihrem geschäftlichen Alltag vermitteln müssen, das Aussenstehende nicht kennen (können). Dabei werden die Ziele und Erwartungen, die mit dem Projekt verknüpft sind, verständlich dargelegt und die jeweiligen Ansprechpartner angegeben.


Im Gegenzug gibt das Briefing den Übersetzer:innen die Möglichkeit, anhand der vermittelten Informationen Empfehlungen über einen optimalen Ablauf auszusprechen: Welche Arbeitsschritte sollen sinnvollerweise vor der Übersetzung abgeschlossen werden, wie sollen Texte übermittelt werden, lohnt sich einen CMS-Zugang, sollte die Stufe der Druckfreigabe abgedeckt werden usw.


Das Debriefing: Ein vorgelagertes Briefing

Klarheit, Offenheit und Vertrauen sind die Grundpfeiler eines erfolgreichen Debriefings.


Aus den Erfahrungen sollen Anknüpfungspunkte für Verbesserungen herausgearbeitet werden. So sollte der Rückblick einige Fragen beantworten wie: Sind die Ziele erreicht, wurden allfällige Fragen zufriedenstellend beantwortet, wurde das Projekt termingerecht abgewickelt, blieben noch Punkte offen, sind mitgelieferte Anmerkungen zum Ausgangstext oder zu Übersetzungsansätzen hilfreich, sinnvoll, vielleicht unerwünscht, usw.


Aus diesen Feedback lassen sich Ursachen identifizieren, eingrenzen und einordnen. Aus welchem Grund ist es zu diesem Outcome gekommen? Haben Informationen gefehlt oder wurden sie zu spät mitgeteilt? Diese Erkenntnisse sollten möglichst konkret formuliert und im Idealfall mit Beispielen untermauert werden: damit sie nicht bloss Makulatur bleiben.


Dabei ist es wichtig in einen konstruktiven Austausch zu treten und Anpassungen so zu gestalten, dass deren Umsetzung für alle ein Gewinn sind. Dadurch gewinnen die Teilnehmer bessere Einblicke in die Wirklichkeit des Gegenübers sowie ein besseres Verständnis für seine Möglichkeiten und Einschränkungen. Und das öffnet den Weg für Wissenstransfer und Verbesserungen, die auf kreativen und gemeinsam entwickelten Ansätze beruhen: etwa Kennung potenzieller Neueinträge für Terminologie, Rückmeldung über Vorschläge für Style Guide, usw. Eine sorgfältige Dokumentation der besprochenen Punkte und der beschlossenen Massnahmen macht das Projekt erst komplett.


FAZIT

Auch wenn das Vorbereiten eines Briefings eine zusätzliche Aufgabe darstellt, sollte sie als eine wahre Investition betrachtet werden. Eine Investition, die sich in vielerlei Hinsichten lohnt.

Ein Briefing schafft Klarheit: Ihre Dienstleister:innen verstehen, was Sie brauchen. Es sorgt für Effizienz: Die Bereitstellung der Informationen vermeidet Abklärung und Recherche, die gewonnene Zeit kann für den Feinschliff genutzt werden. Es stellt die Konsistenz sicher und sorgt damit für Qualität und Wiedererkennung. Es trägt zur Fehlervermeidung bei: Ressourcen, mögliche Probleme, Vorgaben, usw. können proaktiv während der Übersetzung berücksichtigt werden. Und es sorgt letztlich für Kundenzufriedenheit: Das Endprodukt entspricht den Erwartungen, denn die Anforderungen sind bekannt.


Und beim Debriefing kommt am Ende der Sommelier und fragt : «Sind Sie zufrieden gewesen?», oder sogar noch besser: «Was hat Ihnen besonders gut gefallen und was kann ich beim nächsten Mal besser machen

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Über die Autorin

Bonjour! Ich bin’s, Christine Eulriet, begeisterte Französischübersetzerin. Mein Blog ist das Ticket für hinter die Kulissen meines Berufs: Wir schauen zusammen, worauf es ankommt, wenn Übersetzungen von mittelmässig zu wow werden sollen. Schlechte Übersetzungen? Nichts womit man leben muss: Hier erfahren Sie, wie Sie Ihren mehrsprachigen Auftritt beherrschen.

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