Übersetzung ist nicht gleich Übersetzung. Und schon gar keine normierte Leistung: Ihre Qualität hängt stark davon ab, wer sie erbringt. Und vor allem mit welcher Haltung. Wer mit Sprachdienstleistern zusammenarbeitet, die sich mit ihren Kunden nicht ernsthaft auseinander setzen, wird irgendwann von der Realität eingeholt. Hier ein Beispiel genauso schmerzlich wie aussagekräftig.
Ein Start-Up im medizinischen Bereich tritt an mich heran. Sie haben einen dreisprachigen Auftritt: Deutsch, Französisch und Italienisch und arbeiten mit einer Übersetzungsagentur seit über einem Jahr zusammen. Neulich wuchsen die Zweifel, dass die erhaltenen Texte qualitativ gut seien, ob ich mir mal die französische Seite anschauen könne.
Ich muss ehrlicherweise zugeben, dass es deutlich schlechtere Fälle gibt. Auf den ersten Blick. Auf den zweiten, also nach meinem Kurzaudit, kam mehr zu Tage. Ich hatte allerdings einen Verdacht: Prozesse könnten einen Teil der Probleme erklären.
Wie vermutet, war die Agentur nicht an allem schuld: Das Management der Übersetzungen fiel dem kleinen jungen Marketing-Team zu, wo es für die Verwaltung von mehrsprachigem Content intern weder Kompetenzen noch Erfahrungen gab.
Ein mangels besseren Wissens leider sehr verbreiteter Prozess kam zum Einsatz:
Wie hätte also die Agentur etwas Sinnvolles aus einer einspaltigen Liste von Begriffen und Sätzen machen können? Eben, es ist schier unmöglich. Bescheidene Versuche arten zum Rätsel aus (weiter unten finden Sie ein anschauliches Beispiel dazu). Dafür kann man der Agentur wirklich gar keinen Vorwurf machen. Nein. Wirklich nicht, nein!
Was man ihr aber als massiven Verstoss gegen jegliche vernünftige und anständige Berufspraxis vorhalten muss, ist, dass diese Agentur für diesen ahnungslosen Kunden einfach “Zeug” übersetzt hat. Für einen mittelhohen Preis. Ohne Sinn, und vor allem ohne eine Spur von Verstand. Und-das-über-ein-ganzes-Jahr-lang.*
Wenn ich – als Übersetzungs-Junkie mit ähm… leichtem Drang zur Kundenorientierung – von solchen regelrechten «Schauergeschichten» höre, bin ich auf derartige vermeintliche Dienstleister wütend. Tatsächlich ist es viel einfacher so zu übersetzen: keine Fragen an den Kunden, kein Abklärungsaufwand, kein Zeitverlust, keine Terminologiearbeit, keine lästige Durchgängigkeit. Nichts davon.
Nach unserem Gespräch hatte dieses Start-Up zumindest eine (noch sehr grobe) Idee davon, was Mehrsprachigkeit für Herausforderungen mit sich bringt - und vielleicht noch wichtiger, wieviel es bedeuten kann, mit einem zuverlässigen Partner zusammenzuarbeiten.
Das Fazit dieser Geschichte: Am Ende muss der Kunde seine Übersetzungen ein zweites Mal kaufen. Bei der ersten Runde hat er bezahlt für etwas, was ihm nichts nützt. Schliesslich wollte er ja nur die Übersetzung, nicht wahr? Nach Beratung hat er nie gefragt!
*kursiv und mit Bindestrichen, weil ich gerade mit zusammengepressten Zähnen schreibe, so empörend und unfair finde ich das Verhalten.
Stellen Sie sich eine Excel-Zelle vor, die nur den Begriff «von» enthält. Im Deutschen kann das Wort wie folgt verwendet werden, unter anderem:
Auf Französisch braucht man in diesen Fällen jeweils ein anderes Wort: «du, de, par, sur, à partir de», teilweise in Kombination mit einem Partizip II . Nach der reinen Wahrscheinlichkeitsrechnung wird bei diesem Ratespiel das richtige Ergebnis in Französisch vermutlich nicht dabei sein. À propos Wahrscheinlichkeit, wissen Sie schon, was Übersetzungsroulette ist?
Über die Autorin
Bonjour! Ich bin’s, Christine Eulriet, begeisterte Französischübersetzerin. Mein Blog ist das Ticket für hinter die Kulissen meines Berufs: Wir schauen zusammen, worauf es ankommt, wenn Übersetzungen von mittelmässig zu wow werden sollen. Schlechte Übersetzungen? Nichts womit man leben muss: Hier erfahren Sie, wie Sie Ihren mehrsprachigen Auftritt beherrschen.
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Wenn es nicht 08/15 werden soll
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